Durchsetzungsvermögen lernen um Konflikte besser lösen zu können

"Viele denken, dass Durchsetzungsvermögen bedeutet, rücksichtslos zu sein und Empathie aufzugeben– doch das ist ein Irrtum. Wahres Durchsetzungsvermögen bedeutet, sich klar zu positionieren, ohne andere abzuwerten. Durchsetztungsvermögen und Empathie sind durchaus vereinbar - aber das ist nicht leicht. In diesem Artikel erfährst du, warum Durchsetzungsvermögen so wichtig ist, wie du es lernen kannst ohne Deine Empathie aufzugeben und welche praktischen Strategien dir helfen, dich durchzusetzen”

Was bedeutet Durchsetzungsvermögen wirklich?

Oft wird Durchsetzungsvermögen als etwas Starres verstanden: ein starkes „Ja“ zu sich selbst und ein klares „Nein“ nach außen. Doch auch wenn es in manchen Ratgebern so scheint, das Leben ist selten so schwarz-weiß. Manchmal bedeutet Durchsetzungsvermögen, eine Bitte abzulehnen, ohne die Beziehung zu gefährden. Manchmal heißt es, für die eigene Meinung einzustehen, ohne das Gegenüber abzuwerten. Und manchmal besteht wahre Stärke und Durchsetzungskraft darin, Widersprüche auszuhalten – die eigene Unsicherheit, die Emotionen anderer, die Grauzonen zwischen Durchsetzen und Nachgeben.

Genau hier kommt Ambiguitätstoleranz ins Spiel: die Fähigkeit, Unklarheit und Spannungen auszuhalten, ohne sich selbst zu verlieren. Wer das beherrscht, kann nicht nur „Nein“ sagen, sondern vor allem Ja – zu sich selbst, und zum Gegenüber sowie  zu Lösungen, die beide Seiten weiterbringen.

Die häufigsten Missverständnisse über Durchsetzungsvermögen

Ein weiteres Missverständnis: „Ich bin nicht selbstbewusst genug, um mich durchzusetzen.“ Doch das ist eine Umkehrung der Realität. Selbstbewusstsein ist nicht (notwendigerweise) die Voraussetzung für Durchsetzungsvermögen – es ist oft die Folge davon. Wer sich traut, eigene Grenzen zu setzen oder sich für die eigenen Bedürfnisse starkzumachen, erlebt häufig, dass die befürchteten Konsequenzen gar nicht eintreten. Im Gegenteil: Man wird ernst genommen, es entstehen neue Möglichkeiten, und das eigene Selbstbild verändert sich. Da war es wieder: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es! „

Selbstvertrauen wächst nicht durch bloßes Warten oder inneres Grübeln – sondern durch Erfahrung. Jedes Mal, wenn du für dich einstehst, stärkst du das Vertrauen in dich selbst. Dabei ist es völlig ok, wenn du beim Einstehen für Dich (da trainierst du dein Durchsetzungsvermögen) unsicher bist, oder wirkst, mach einfach weiter, immer wieder. Je öfter das passiert, desto sicherer wirst du. Beim Fahrradfahrenlernen (oder jeder anderen Fähigkeit, die wir neu lernen) denken wir ja auch nicht, dass wir es nicht lernen können oder schämen uns, nur weil wir am Anfang oft umfallen oder unsicher und langsam fahren. Auch eine neue Sprache lernt man am besten im dem man mit dem wenigen, was man schon kann, einfach loslegt ohne Scham wenn man stotternd oder in verdrehten Sätzen sich versucht zu verständigen.

Was sollte man tun/ nicht tun, wenn man lernt, sich durchzusetzen?

Laut Gerard Shaw, Autor von Endlich durchsetzen sind das folgende Sachen

Was man tun sollte:

  • Eigene Bedürfnisse klar und ehrlich zum Ausdruck bringen

  • Gefühle ausdrücken, ohne sich schuldig zu fühlen

  • Für das einstehen, woran man glaubt, auch wenn das Gegenüber anderer Meinung ist

  • Die eigenen Rechte kennen und wissen, wie man sie einfordert

  • Effektiv kommunizieren und dabei die Gefühle anderer mit Zuversicht vermitteln

  • Selbständig und unabhängig sein

  • Beharrlich bleiben, bis die eigenen Bedürfnisse erfüllt sind oder man zumindest viel dafür getan hat, dass es so wird.

Was man vermeiden sollte:

  • Um das Thema herumreden, bevor man seine Bedürfnisse äußert

  • Schuldgefühle oder Angst haben, wenn man sich für sich selbst einsetzt

  • Mit anderen übereinstimmen, obwohl man sich anders fühlt

  • Unkenntnis über die eigenen Rechte

  • Sich leicht von anderen beeinflussen lassen oder aufgeben, wenn es schwierig wird

Das ist aber leichter gesagt als getan. Wenn man noch nicht sehr durchsetzungsvermögend ist, kann man das nicht einfach tun/ vermeiden. Aber auch hier gilt: einfach üben, üben, üben. Z.B. mit folgenden Übungen

Durchsetzungsvermögen lernen: 5 praktische Übungen

Übung 1: Eigene Bedürfnisse klar formulieren

Durchsetzungsvermögen beginnt damit, dass wir klar sagen und formulieren, was wir uns wünschen. Dafür müssen wir das selber wissen. Vielen Menschen sind ihre eigenen Bedürfnisse oft klar nicht so klar. Es geht ihnen dann z.B. nicht besonders toll, sie wissen aber nicht genau, was gerade nicht erfüllt ist, oder schimpfen über Äußerliche Dinge, wie den Partner, die Kinder, den Stress. Dann sind sie mit ihrem Fokus im Außen. Um sich klar durchsetzten zu können, ist es aber wichtig, den Fokus immer mal wieder nach innen zu lenken und hier Klarheit zu gewinnen. Fragen, die dabei helfen, sind z.B.

  • Was ist der Grund dafür, dass mein Partner mich gerade so nervt? Was fehlt mir? Was brauche ich?

  • Warum ist meine Motivation auf der Arbeit gesunken. Welche Bedürfnisse sind gerade weniger erfüllt.

  • oder auch: wenn wir in das Treffen gleich gehen, was will ich dass unbedingt passiert? Um welches Bedürfnis geht es da.

Bedürfnislisten gibt es im Internet - einfach mal googeln.


Übung 2: Nein sagen ohne Schuldgefühle

Nein sagen ist eine Kunst. Wer immer Ja sagt, wird zum Spielball von anderen. Doch Nein zu sagen bedeutet nicht, unfreundlich oder rücksichtslos zu sein – es bedeutet, sich selbst ernst zu nehmen. Ein klares Nein hilft dabei, die eigenen Zeit, Energie und Ressourcen zu schützen. Es ist ein wichtiger Teil von Durchsetzungsvermögen. Um besser Nein-Sagen zu können, hilft es sich folgendes bewußt zu machen:

  • Andere dürfen fragen, was sie wollen – und ich darf Nein sagen.

  • Ein Nein ist eine Entscheidung gegen eine Sache, nicht gegen eine Person.

  • Jedes Ja zu etwas ist auch ein Nein zu etwas anderem.

  • Ehrlichkeit ist ein Geschenk, ein unehrliches Ja ist eine Strafe.

    Wenn Du dein Nein so formulierst, dass dir und dem Gegenüber direkt klar wird, wozu es ein Ja ist, wird es leichter. Denn dann fühlt sich das Nein schon weniger hart an und Menschen, die Probleme damit haben, fürchten oft, dass sie mit klaren Grenzen hart rüberkommen.

    statt: Nein, ich kann Dir jetzt nicht zuhören.

    besser: Nein, ich kann Dir jetzt nicht zuhören, ich möchte erst noch die Abrechung fertig machen, um entspannter zu sein/ den Abgabetermin einzuhalten/etc.

    Übung 3: Widersprüche aushalten lernen (Ambiguitätstoleranz)

    Ambiguitätstoleranz ist eine ganz wichtige Kompetenz wenn es um die Kombination von Durchsetzungsvermögen und Empathie geht. Wenn wir Widersprüche nicht aushalten können, ist es uns nicht möglich, sowohl bei uns als auch beim anderen zu sein mit unserer Empathie. Widersprüche aushalten lernen, kann man Trainieren, z.B. durch:

  • Artikel lesen, die ganz andere Meinungen vertreten, als wir es tun und versuchen, offen zu bleiben bis zum Ende des Artikels.

  • Perspektivwechsel trainieren: ab und an kannst du versuchen, dich in die Schuhe vom jemanden zu stellen, den du gar nicht verstehst/ magst. Das kann ein Politiker sein oder ein Mensch aus deinem Umfeld oder jemand anderes. Versuche einmal das Experiment herauszubekommen, welche Bedürfnisse sich diese Person wohl erfüllt durch das Handeln und Reden, dass Du nicht magst. Verboten (für diesen Moment): die Person zu bewerten. (Wenn das Experiment vorbei ist, kannst du es gleich wieder tun :)

  • Mehrdeutigkeit spielerisch trainieren: Du kannst Dein Gehirn darin trainieren, Widersprüche besser auszuhalten. Wenn du dich in Betrachtungen begibst und Sätze wie die folgenden als Leitsätze nimmst, tust du genau das: “Ich weiß, dass ich nichts weiß” oder: “es könnte alles auch etwas ganz anderes Bedeuten” oder “ich weiß nicht, was soll es bedeuten” “oder kann ich mir ganz sicher sein, dass es so ist wie ich denke oder könnte es auch ganz anders sein?”

    Übung 4: Sich kleine Herausforderungen setzen

    Wie bei jeder Fähigkeit gilt: Es braucht Übung. Am besten beginnst du mit kleinen Schritten – beim Einkaufen Nein sagen, eine klare Bitte aussprechen, eine Meinung vertreten, Darauf bestehen, dass das Team die Café Tassen nach dem Treffen wegräumt, mit dem Kind abends noch 10 Minuten aufräumen, etc. Wichtig ist nicht, sofort perfekt zu sein, sondern dranzubleiben. Wie beim Fahrradfahren wirst du vielleicht am Anfang stolpern. Aber irgendwann geht es leichter.

    Warum sich Durchsetzungsvermögen lernen lohnt - für Dich und für die Welt

    Und das Beste? Du bist nicht allein. Viele Menschen ringen mit diesem Thema wie sie Durchsetzungsvermögender werden. Meistens sind das Menschen die gleichzeitig mehr Empathie für andere haben.

    Durchsetzungsstark UND gleichzeitig Empathisch zu sein, ist schwer! Deshalb tendieren Menschen oft zu dem einen oder dem anderen. Diese Spannung auszuhalten zwischen dem was ich möchte, wünsche und denke und dem, was mein Gegenüber möchte, wünscht und denkt und nicht entweder in die Empathie ohne Durchsetzungsvermögen zu fallen oder in das Durchsetzungsvermögen ohne Empathie ist eine echte Herausforderung. Wir brauchen dafür Ambiguitätstoleranz, also die Fähgikeit Widersprüche auszuhalten. Und das kann man ja üben.

    Gleichzeitig: wenn wir beides könn(t)en: durchsetzungsstark sein UND empathisch sein, sind wir sowohl in der Lage für uns selbst einzustehen, als auch wirklich im Kontakt mit unseren Mitmenschen zu sein, und die Chance die jeder Konflikt birgt, wirklich zu nutzen. Das ist der Bereich, in dem Co-Kreation erst anfängt. Was wir erreichen könnten, wenn wir alle mehr konfliktfähig in diesem Sinne wären? Wenn wir so für uns einstehen können und gleichzeitig unserem Gegenüber das Recht einräumen, das gleiche zu tun, ohne ihn deshalb abwerten zu müssen??

    Und genau deshalb lohnt es sich, diesen Weg zu gehen mit oder ohne Stolpern– für dich und für die Qualität deiner Beziehungen, aber auch für die Welt und ihre Entwicklung.

    Willst du mehr über die Verbindung von Durchsetzungsvermögen und Empathie erfahren und mitbekommen, wie ich aus der Frage, wie beides zusammengeht, um wahre Konfliktfähigkeit zu erlangen, ein Buch mache? Dann melde Dich zu meinem Newsletter an!

Durchsetungsvermögen kann man lernen. Empathie kann man lernen. Beides zusammen ergibt eine Konfliktfähgikeit, die die Welt braucht: KonfliktAbility

Covervorschlag von Chatti: für KonfliktAbility - das Buch

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KonfliktAbility = Empathie PLUS Durchsetzungsvermögen